Warum es auch in der Krise die Kunst braucht, was ihn am Kabarett reizt und an der Universität gefehlt hat, erzählt Paul Pizzera der Unizeit.
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Warum es auch in der Krise die Kunst braucht, was ihn am Kabarett reizt und an der Universität gefehlt hat, erzählt Paul Pizzera der Unizeit.
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Ich denke mir, dass Kunst eine Räuberleiter ins Glück sein kann. Man kann sich dadurch auf jeden Fall von seinem vielleicht nicht ganz so ansprechenden Ist-Zustand in ein schöneres Gefilde der Freude hinaufhieven. Wer einen offenen Oberschenkelbruch hat, ist natürlich sehr, sehr froh, dass es ÄrztInnen gibt und nicht eine Person, die ein Gedicht vorliest. Aber wenn man eine unheilbare Krankheit hat, dann ist es natürlich schön, dass dich ein Musikstück oder ein Gemälde dies kurz vergessen lassen.
Kunst ist auf jeden Fall auch Emotion. Man kann sich daran stören oder reiben, und man kann sich glücklich bereichern lassen. Sie ist dazu da, dass sie uns Trauer, Freude, Schmerz, Leid, Liebe und Glück empfinden lässt.
Nur Blödeln ist mir zu profan, nur ernste Lieder zu schreiben, zu seriös. Das Schöne ist, ich kann beides machen: ein ergreifendes Lied oder eine Ballade, wenn ich in Stimmung bin, und dann wieder eine „Larifari-lustig-Dialekt-versteht-mich-keiner“-Nummer. Das ist der Spagat, der auch im Leben so ist.
Der große Vorteil am Kabarett ist, dass es nicht immer das Gleiche ist. Du kannst theoretisch tagespolitische Sachen einflließen lassen. Bei Tosca ist es schwierig, dass du da kurz auf Ibiza Bezug nimmst.
ÖsterreicherInnen sind zynisch, lachen gerne, wenn jemand fällt. Wenn wer stolpert, haben wir eine Gaude dabei. Da muss man auch darüber lachen, wenn man selber einmal Stolperer ist, finde ich halt. Eine Wechselwirkung aus Zynismus und Selbstironie, glaube ich, macht das Leben schon viel schöner.
Derzeit fehlt natürlich das Live-Erlebnis. Die Leute wollen etwas Gemeinschaftliches spüren. Du verlernst das Menschsein. Mir gehen die eigenen Auftritte wahnsinnig ab. Ich will wieder waagrecht in die Menge schwitzen und Sachen lauthals schreien, die ich in der Unterhose auf der Couch geschrieben habe. Aber meine Bühnengeilheit darf nicht wichtiger sein als die Gesundheit. Nach der Spanischen Grippe soll drei Wochen einfach durchgesoffen worden sein. Das schaffe ich, glaube ich, mit 32 Jahren nicht mehr, aber es ist ein lukullischer Strohhalm, an dem man sich zumindest ein bisschen anhalten kann.
Ich habe das Glück, dass ich die letzten zehn Jahre sehr fleißig war, also tangiert mich die Krise finanziell nicht. Aber wenn du jetzt erst angefangen hast oder in den Startlöchern bist, vergiss es! In weiterer Folge ist es ja das Problem, dass die VeranstalterInnen auch schauen müssen, dass die Hütte voll wird. Lassen die dann NewcomerInnen auf die Bühne, die vielleicht nur ein Viertel einspielen? Nein, das geht dann nicht, danke, servus. Dadurch stirbt gute, junge Kultur, das ist unfassbar traurig. Man merkt, wer Geld und eine Lobby hat, und das hat die Kultur halt nicht.
Forschung ist großartig, natürlich! Wie kann man sich gegen Fortschritt wehren? Man sieht ja, dass für Coronaleugner oder fundamentale Impfgegnerinnen eine Quellenangabe maximal der Lagerplatz für Mineralwasser ist. Das ist sehr traurig, und darum gibt es ja Experten und Expertinnen, auf die wir auch vertrauen sollen, die nicht auf YouTube studiert haben, sondern an einer Universität. Weiterentwicklung und Sachen besser machen, ist natürlich geil und großartig.
Es würde mich allerdings schon fast traurig machen, wenn jemand glaubt, das Germanistik-Studium ist schuld, dass ich jetzt texten kann. Nein, diese Passion hat man oder nicht. Ich hätte mir zwar erwartet, dass meine Klinge und mein Feingefühl verbessert werden, aber es war wirklich nur wissenschaftliches Arbeiten. Ein Thema behandeln, über das schon vierzig Millionen geschrieben haben? Und dann das Zitieren? Ja alter Schwede! Das Kreative hat mir gefehlt.
Ich würde aber schon wieder studieren, weil es cool ist. Wie kann man etwas gegen Bildung haben, wenn man seine sieben Zwetschken beisammen hat? Trotzdem glaube ich, dass sich manche Leute, die an der Uni arbeiten, zu wichtig nehmen. Es ist ja nichts Schlechtes, wenn man auf das Geschaffene stolz ist, aber diese halbintellektuellen feuchten Träume, die dann oft bei Presseaussendungen herauskommen, sind schon ein bisschen nervig. Wie man bei Frau Aschbacher gesehen hat, sollten sich die Hochschulen momentan nicht allzu ernst nehmen.
Paul Pizzera, Jahrgang 1988, ist Kabarettist und Musiker. 2011 schloss er an der Universität Graz das Bachelorstudium der Germanistik ab, was er auch in einem Lied verarbeitete. Im selben Jahr gewann er mit dem Grazer Kleinkunstvogel seinen ersten Kabarettpreis, weitere folgten.
Paul Pizzera beantwortet Fragen von Studierenden: